Fußball-Bundesliga: Wie viele positive Corona-Tests kommen noch?

Zwei Spieler und ein Betreuer mit dem Corona-Virus infiziert – diese Nachricht vom 1. FC Köln dürfte manchen überrascht haben. War das einfach nur großes Pech? Oder werden wir positive Tests jetzt öfters erleben, wenn die Bundesliga alle Teams regelmäßig untersucht?

Laufende Corona-Tests sind ein wichtiger Teil des Konzepts der Geisterspiele, mit dem die Bundesliga die derzeit unterbrochene Saison noch beenden will. In Liga 1 und 2 stehen noch neun Spieltage aus.

Nun gab es gleich zu Beginn der regelmäßigen Tests drei Positivfälle. Wie hoch ist eigentlich die Wahrscheinlichkeit dafür?

Bild: DFL

Ich habe ein wenig über diese Frage nachgedacht und festgestellt, dass das eine hübsche Fingerübung in Kombinatorik und Wahrscheinlichkeitsrechnung ist. Es wäre sicher auch ein schönes Thema für den Matheunterricht.

Das Ergebnis meiner Berechnungen hat mich selbst etwas überrascht: Sofern Infektionen unter Bundesliga-Fußballern genauso häufig sind wie in der Gesamtbevölkerung, liegt die Wahrscheinlichkeit für mindestens einen positiven Coronatest zwischen 0,4 und 0,9. Das gilt für einen einmaligen Test aller 36 Teams aus Liga 1 und 2. Ein ziemlich hoher Wert!

Wie habe ich das berechnet? Zunächst die Annahmen.

Anteil der infektiösen Menschen

Das Robert-Koch-Institut (RKI) beziffert die Zahl der täglichen Neuinfektion derzeit bei etwa 1000 (geschätzt über den Tag des Krankheitsbeginns, nicht über den Tag der Meldung!). Wir müssen aber von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. Ich habe dabei zwei Varianten gewählt.

  • Entweder sind es in Wahrheit 5000 Neuinfizierte pro Tag. Bei den Tests würde also nur jeder fünfte Infizierte gefunden.
  • Oder es sind sogar 10.000 Neuinfizierte pro Tag. Bei den Tests würde dann sogar nur jeder zehnte Infizierte gefunden.

Ich habe angenommen, dass die Zahl der Neuinfizierten jeden Tag gleich bleibt. Damit ist der Reproduktionsfaktor gleich 1.

Weiterhin habe ich angenommen, dass das Virus im Hals der Infizierten an fünf aufeinanderfolgenden Tagen nachweisbar ist. Nur an diesen fünf Tagen kann der PCR-Test nach Abstrich im Rachen positiv ausfallen. Diese Anzahl der Tage könnte auch größer sein, das würde das Ergebnis der Berechnung verändern. Um einen solchen Effekt zumindest abschätzen zu können, habe ich auch ein Szenario mit zehn Tagen durchgerechnet.

Zunächst bleibe ich aber bei fünf Tagen.  Fünf Tage Infektiosität würde bedeuten: Pro Tag sind 5*5000 = 25.000 beziehungsweise 50.000 Menschen (=5*10.000) infektiös. Würde man an einem Tag alle 83 Millionen Bewohner Deutschlands testen, gäbe es 25.000 oder – bei Annahme der höheren Dunkelziffer – 50.000 positive Ergebnisse.

Dies entspricht 0,03 Prozent beziehungsweise 0,06 Prozent der Bevölkerung. Wer es etwas anschaulicher mag: Entweder ist einer von 3320 Menschen positiv oder einer von 1660.

Ist das Virus nicht fünf, sondern zehn Tage im Rachen nachweisbar, verdoppeln sich die Prozentwerte auf 0,06 beziehungsweise 0,12 Prozent der Bevölkerung, was 50.000 oder 100.000 infektiösen Menschen pro Tag entspricht. Dann wäre einer von 1660 oder einer von 830 Getesteten positiv.

Fasst man alle Szenarien zusammen, kommt man auf drei verschiedene Häufigkeiten von Infizierten mit nachweisbaren Viren im Rachen: Einer auf 830, 1660 oder 3320 Menschen.

Zahl der Tests bei Bundesliga-Teams

Laut den Angaben der DFL sollen von jeder Mannschaft nicht nur alle Spieler getestet werden – das sind meist 20 bis 30 -, sondern auch die Trainer, Mediziner, Physiotherapeuten und sonstigen Betreuer. Also alle, die in engem Kontakt zu den Spielern stehen. Dies sind laut DFL 50 Personen pro Team. Die beiden Bundesligen kommen zusammen auf 36 Teams. Wir reden hier also von 36*50 = 1800 Personen, die zugleich getestet werden.

Etwas Kombinatorik

Bei der folgenden Beispielrechnung gehe ich davon aus, dass im Durchschnitt eine von 1660 Personen im Rachen Corona-positiv ist. Ich teste alle 36 Liga-Teams – also 1800 Personen. Falls die Infektionsrate innerhalb der Teams genauso groß ist wie in der Gesamtbevölkerung, sollte im Durchschnitt etwas mehr als ein Test positiv ausfallen.

Ich möchte aber etwas genauer hinschauen: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass alle 1800 Tests negativ sind? Und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass genau einer positiv ist? Oder mindestens einer?

Wer sich noch an Wahrscheinlichkeitsrechnung und Kombinatorik erinnert, weiß wahrscheinlich wie es weiter geht: Wir brauchen den Binomialkoeffizienten.

Fangen wir mit dem einfachsten Fall an: Alle 1800 Tests sollen negativ sein. Ich kann mir einen Corona-Test auch als Wurf mit einer Münze vorstellen. Die eine Seite der Münze steht für ein negatives Ergebnis, die andere für ein positives.

Bei einer Münze sind die Chancen normalerweise fifty-fifty. Die Corona-Test-Münze ist jedoch gezinkt: Nur mit p=1/1660 landet sie auf der Positiv-Seite, mit p=1659/1660 auf der Negativ-Seite.

Wenn ich 1800 Tests mache, werfe ich die Corona-Münze 1800 Mal hintereinander und sammle die Ergebnisse in einer Strichliste.

Wenn es keinen einzigen positiven Test gibt, also alle Tests negativ sind, ist die Wahrscheinlichkeit dafür:

p(0) = (1659/1660)^1800

p(0) = 0,338..

Wenn genau einer der 1800 Tests positiv sein soll, ist das Ergebnis

p(1) = (1659/1660)^1799 * (1/1660) * (1800 über 1)

p(1) = (1659/1660)^1799 * (1/1660) * 1800

p(1) = 0,367..

(1800 über 1) ist der Binomialkoeffizient. Er gibt an, wie viele verschiedene Möglichkeiten es gibt, dass von 1800 Würfen ein einziger positiv ist. Es sind genau 1800 verschiedene:

  • Wurf 1 ist positiv, alle anderen sind negativ,
  • Wurf 2 ist positiv, alle anderen sind negativ,
  • Wurf 3 ist positiv, alle anderen sind negativ,
  • bis Wurf 1800 ist positiv, alle anderen sind negativ.

Die allgemeine Formel lautet (n über k) = n!/( (n-k)! * k! ) – siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Binomialkoeffizient

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass genau 2 der 1800 Würfe ein positives Ergebnis haben? Auch das berechnen wir mit dem Binomialkoeffizienten – nun aber (1800 über 2):

p(2) = (1659/1660)^1798 * (1/1660)^2 * (1800 über 2)

p(2) = (1659/1660)^1798 * (1/1660)^2 * 1.619.100

p(2) = 0,199..

Auf diese Weise könnten wir für jede einzelne Anzahl positiver Tests die Wahrscheinlichkeit berechnen.

Ergebnisse für Tests mit 1800 Personen

Folgende Tabelle enthält die Wahrscheinlichkeiten dafür, dass 0, 1, 2, 3… Personen von 1800 getesteten positiv sind. Berechnet ist dies für die drei oben genannten Häufigkeiten infektiöser Menschen in der Gesamtbevölkerung (pi = 1/3320, pi = 1/1660, pi = 1/830).

Wenn wir annehmen, dass die Corona-Infektionen in der Gruppe der 1800 Fußballer, Trainer und Betreuer genauso groß sind wie in der Gesamtbevölkerung, sind ein oder mehr positive Tests alles andere als unwahrscheinlich.

Schauen wir zuerst in die mittlere Spalte: Falls eine von 1660 Personen im Rachen nachweisbare Viren hat, ist die Wahrscheinlichkeit für genau einen positiven unter 1800 Tests nur minimal größer als für keinen einzigen positiven Test. Die Wahrscheinlichkeit für mindestens einen positiven Test ist mit p = 0,662.. deutlich größer als für 1800 negative Tests (p = 0,338).

Sind infektiöse Menschen doppelt so häufig (rechte Spalte), werden ausschließlich negative Tests mit p = 0,1142 schon relativ unwahrscheinlich. Mit jeweils p = 0,248 und p = 0,269 sind entweder genau ein Test oder zwei positiv. Die Wahrscheinlichkeit für mindestens einen positiven Test beträgt 0,8858. Und für mindestens zwei positive Tests immer noch mehr als 0,6.

Nur in der linken Spalte (pi = 1/3320) ist die Wahrscheinlichkeit für keinen einzigen negativen Test größer als 0,5 – aber auch hier sind ein oder mehr positive Tests mit p > 0,4 keine Seltenheit.

Fazit: Wir müssen bei den Tests der 1800 Teammitglieder häufig mit mindestens einem positiven Testergebnis rechnen.

Folgendes Diagramm zeigt die Verteilung der Wahrscheinlichkeiten in den drei Szenarien, die x-Achse zeigt die Anzahl positiver Tests, y steht für die Wahrscheinlichkeit.

Kann das überhaupt stimmen?

Die Berechnung hat in meinen Augen zwei Schwächen. Zum einen ist unklar, ob man einfach so annehmen kann, dass Infektionen innerhalb der Fußballteams genauso häufig auftreten wie in der Gesamtbevölkerung. Hier könnte das Umfeld der Spieler eine Rolle spielen – aber auch die Tatsache, dass die Spieler in der Regel nicht mal 30 Jahre alt sind. Wir wissen bislang nicht genau, wie oft sich junge Erwachsene überhaupt infizieren.

Ein zweites, zumindest statistisches Problem ist die Häufung von Infektionen, wie wir sie im Fall des 1. FC Köln gesehen haben. Weil Spieler und Betreuer in kleinen Gruppen sehr eng zusammen sind, wird eine einzige Infektion sehr schnell an andere Teammitglieder weitergegeben. Die Infektion einer Einzelperson könnte daher eher selten sein, Infektionen treten womöglich häufiger als Cluster auf.

Es ist so ähnlich wie bei Familienmitgliedern, die in einem Haushalt zusammenwohnen. Auch hier bilden die Personen ein Cluster. Man kann sie nicht als Einzelpersonen betrachten, die voneinander unabhängig sind.

Wollte man beispielsweise anhand der positiven Tests unter Fußballteam-Mitgliedern die Häufigkeit positiver Tests abschätzen, müsste man womöglich die drei Personen eines Infektionsclusters zu einer Person (oder auch zu 1,5 Personen) zusammenfassen. Auf diese Weise vermeiden Epidemiologen Verzerrungen in ihren Daten.

Christian Drosten hat dies in einem seiner Podcasts für das Beispiel Gangelt (Landkreis Heinsberg) beschrieben. Dort wurden von einem Team des Virologen Hendrik Streeck viele Bewohner auf Antikörper getestet. Die Häufigkeit von Infektionen könnte überschätzt werden, falls der Faktor „wohnen gemeinsam in einem Haushalt“ nicht herausgerechnet wird.

Auch bei den Fußballern könnten die Infektionszahlen wegen des Clustereffekts verzerrt sein.

Fazit

Die simple Kalkulation zeigt, dass die DFL wohl mehr als nur einmal mit positiven Tests rechnen muss, sofern die simplen Annahmen der Kalkulation stimmen. Solange man auf Tests im Abstand von einer Woche schaut, kann man jeden dieser Tests mit 1800 Personen womöglich sogar als unabhängig von den vorherigen Tests betrachten – und damit als eine neue Stichprobe. Das gilt natürlich nur solange, wie die Zahl positiver Tests im Verhältnis zur Personenzahl klein bleibt, weil einmal Infizierte ja aller Voraussicht nach nicht noch mal infiziert werden können.

Wenn Spieler nun auch unter Körperkontakt trainieren und demnächst die eigentlichen Spiele beginnen, könnte aus einer Infektion, die ein Teammitglied einträgt, schnell ein Cluster von mehreren Infizierten werden. Wenn dies wiederholt geschieht, dürfte es schwierig werden mit dem regulären Beenden der Saison.

Es ist aber auch möglich, dass die positiven Tests beim 1. FC Köln tatsächlich nur großes Pech waren. Weil die Wahrscheinlichkeit für solche Infektionen in den Teams ein ganzes Stück kleiner ist als in den drei beschriebenen Szenarien.

ESC 2015: Beim Publikum hat Italien gewonnen

Es war eine turbulente Nacht beim Eurovision Song Contest in Wien – und am Ende hieß der Sieger Schweden. Doch hätte allein das Publikum entschieden, wäre der Schwede Måns Zelmerlöw nur Dritter geworden. Platz zwei wäre an Russland gegangen – der Sieg aber an die drei Tenöre Il Volo aus Italien.

Viele ESC-Zuschauer wissen gar nicht, dass ihre Stimme nur zu 50 Prozent in die Wertung einfließt. Über die anderen 50 Prozent entscheidet eine fünfköpfige Jury, meist besetzt mit Musikexperten. In der deutschen Jury saß unter anderem Ferris MC von Deichkind. Solange Jury und Publikum ähnlich urteilen, hat das kaum Auswirkungen auf die Wertung. Sobald aber die Meinungen stark auseinandergehen, kann das passieren, was nun in Wien zu beobachten war: Italien, der klare Sieger des Televotes, geht leer aus.

ESC 2015 Saeulen Hätte allein das Publikumsvote gezählt, wäre Italien mit 365 Punkten unangefochten auf Platz 1 gelandet. Die folgenden Plätze wären an Russland (286 Punkte) und Schweden gegangen (272). Bei der offiziellen Gesamtpunktzahl hingegen ergab sich die bekannte Reihenfolge Schweden (365), Russland (303) und erst als Dritter Italien mit 292 Punkten.

Den Berechnungen hier liegt der übliche ESC-Modus zugrunde: Jedes der 40 Länder vergibt insgesamt 58 Punkte, der Erstplatzierte bekommt 12 Punkte, der zweite 10, der dritte 8, der vierte 7, … und der zehnte 1 Punkt.

Der Schwede Måns Zelmerlöw bekam den Grand Prix nur deshalb, weil er von den Experten aus den Jurys so hoch bewertet wurde. Die Details können Sie dem Diagramm oben und der folgenden Tabelle entnehmen:

ESC 2015 TabelleIm Vorjahr hatte bekanntlich Conchita Wurst den Eurovision Song Contest gewonnen – mit 290 Punkten. Der Sieg des Travestiekünstlers wäre aber noch viel deutlicher ausgefallen, hätten allein die Stimmen des Publikums gezählt – mehr dazu in meinem Text von vor einem Jahr. Immerhin wurde Conchita von den Jurys 2014 nicht um den Sieg gebracht. Denn auch bei ihnen lag Österreich ganz vorn, allerdings nur knapp.

Bei den drei Tenören von Il Volo aus Italien war das anders. Im Urteil der Jurys kam Italien insgesamt nur auf Rang 6 – und hatte so keine Chance, den Grand Prix zu gewinnen.

Wie unterschiedlich Publikum und Jury urteilten, zeigen die Beispiele Frankreich und Deutschland. Die Jury unseres Nachbarlandes wählte Il Volo auf Rang 15, die deutsche Jury sogar nur auf Rang 18. In beiden Fällen gleichbedeutend mit 0 Punkten, wenn die Juryentscheidung in Punkte ungerechnet worden wären.

Beim französischen und deutschen Televote kam Italien hingegen auf Platz 1, was 12 Punkten entspräche. Die offizielle Punktzahl wird wie folgt berechnet: Der Rang von Jury und der Rang Televote werden addiert. Das Land mit der niedrigsten Summe bekommt 12 Punkte, das zweite 10 und so weiter. So können sehr niedriger Rang und ein hoher Rang zusammen einen mittleren bis niedrigen Gesamtrang ergeben. Aus Deutschland bekam das italienische Trio schließlich nur 3 Punkte, aus Frankreich 6.

Vielleicht ein kleiner Trost für Deutschland: Bei den Jurys hätte die deutsche Sängerin Ann Sophie immerhin 24 Punkte eingeheimst – nur in der Gesamtwertung ging sie leer aus (0 Punkte).

Wer gern mit den ESC-Punkten spielen will: Hier ist die Datei ESC-2015-grand_final-full_results_holger mit den vollständigen Daten.

L’Eroica Britannia: Fahrrad trifft Vintage

Es waren drei tolle Tage in den englischen Midlands: Ich bin zum ersten Mal bei einer L’Eroica mitgefahren – und das nicht beim Original in der Toskana, sondern beim neuen Ableger in England. Das Prinzip der eintägigen Radrundfahrt: Erlaubt sind nur vor 1987 gebaute Räder. Damals schaltete man bei Rennrädern noch mit einem Hebel am Unterrohr – und das Bremsen erforderte richtig Kraft in den Fingern.

Meine erste Abfahrt auf einem geliehenen, leicht rostigen Stahlrenner unbekannten Baujahrs wurde zur Zitterpartie. So unsicher habe ich mich selten auf einem Fahrrad gefühlt! Würde man das Ding überhaupt zum Stehen bekommen, falls nötig?

Mein Rad und ich vorm Start

Am nächsten Tag ging es dann eine große Runde über 55 Meilen (90 Kilometer) und 1800 Höhenmeter durch den Nationalpark Peak District. Bei der Streckenführung hatten sich die Veranstalter große Mühe gegeben. Erst führte die Route über eine stillgelegte Eisenbahnstrecke, später gelegentlich über nicht abgesperrte, kaum von Autos frequentierte Nebenstraßen. Aber immer wieder auch über Schotterpisten, die in Italien als strade bianche bekannt.

Die steilen Anstiege hatten es in sich. Bei einer Zehngangschaltung fehlen einfach ein paar Berggänge, die man am modernen Rennrad hat. Erstaunlich, dass ich mich nach ein paar Anstiegen mit den schweren Gängen irgendwie arrangieren konnte. Wenn es zu steil wird, geht man einfach eine Weile aus dem Sattel – und irgendwann wird es auch wieder flacher und man kann wieder entspannter im Sitzen treten.

Hauptsache elegant!

Die vielen Höhenmeter und das für Flachländer erschreckende Höhenprofil flößten mir so viel Respekt ein, dass ich mir vorab ein Berg- und Langstreckentraining in und um Berlin auferlegt hatte. Zum Höhenmeter-Sammeln bin ich in den Grunewald gefahren. Fünfmal den Teufelsberg hoch und runter, dann über die Havelchaussee den Wannsee entlang bis nach Potsdam – und auf dem Rückweg noch mal den Teufelsberg fünfmal hoch und runter. So kommt man bei 70 Kilometern Länge auf über 1000 Höhenmeter – und das gab mir die Gewissheit, dass ich die L’Eroica Britannia auch wirklich entspannt genießen konnte.

Beeindruckt hat mich die Begeisterung der Engländer für die gute alte Zeit: Manche kamen zum Festival in Bakewell als ginge es zum Pferderennen. Sie wollten gar nicht Radfahren, sondern einfach ihre Vorliebe für Vintage-Klamotten ausleben. Viele Teilnehmer traten auch in Wolltrikots und –hosen an – wenn Retro, dann richtig.

Schick gemufft

Auch ich habe auf modernes Lycra verzichtet – zumindest fast. Über einer einfachen Radrennhose trug ich eine helle Hose von De Marchi, die aussah, als wäre sie aus Baumwolle, aber aus 100 Prozent Kunstfaser bestand. Das Trikot stammte ebenfalls aus Italien – ein Wollshirt des Veranstalters der Pressereise Brooks. Unter dem Trikot hatte ich ein dünnes Shirt aus Merino-Wolle. Die ist äußerst angenehm zu tragen und schützt die Haut auch vor der etwas kratzigen Wolle eine Lage darüber. Alles in allem muss ich sagen: Die Naturfaser hat so viele Vorzüge, unter anderem saugt sie den Schweißgeruch auf und sieht super aus, dass ich das Waschen mit der Hand gern in Kauf nehme.

Mein Fazit: Früher war vieles gut, etwa die Vorliebe für Wolle oder das klare, schlanke Design eines Stahlrahmens. Aber es war nicht alles besser. Das merkt man spätestens beim ersten Bremsversuch an einem steilen Abhang.

Noch ein paar Links:

Die raffinierten Logik-Zwerge

Das folgende Rätsel hat mir Ansbert Kneip vom Kindermagazin DeinSPIEGEL geschickt – man findet es in verschiedenen Variationen immer wieder. Ich finde es ziemlich schwer, von allein habe ich die Lösung nicht gefunden. Schaffen Sie’s?

In einer dunklen Höhle leben Logik-Zwerge, die entweder eine weiße oder eine schwarze Mütze aufhaben. Die Zwerge wissen nicht, wie viele von ihnen es gibt. Einmal im Jahr  dürfen sie die Höhle verlassen und bekommen eine Aufgabe gestellt. Können sie diese  lösen, sind sie frei. Misslingt die Lösung, müssen sie zurück in die Finsternis.

In diesem Jahr lautet die Aufgabe: Stellt euch nebeneinander auf, und zwar so, dass die Zwerge mit einer weißen Mütze auf der einen Seite stehen und die mit schwarzer Mütze auf der anderen. Dummerweise kann keiner der Zwerge die Farbe seiner eigenen Mütze sehen. Zudem dürfen sie weder miteinander reden noch sich auf sonstige Weise verständigen oder Hinweise geben, etwa mit der Hand oder den Augen. Sie dürfen auch nicht auf Tricks wie einen Spiegel zurückgreifen.

Das einzige, was die Logik-Zwerge nutzen dürfen, ist ihr scharfer Verstand. Wie können sie die Aufgabe lösen?

Lösungen gern per Mail an mich holger.dambeck AT googlemail.com. Viel Erfolg!

Neues Foto – neues Glück

Endlich gibt’s wieder ein paar aktuelle Fotos von mir. Ich war vor einigen Tagen im Studio von Heidi Scherm – die Session hat Spaß gemacht. Aus über 50 Bildern haben wir dann gemeinsam dieses hier ausgesucht. Heidi ist die Frau von Oliver Mann, der vor einem Jahr die Schnürsenkel und Krawattenknoten für mein aktuelles Buch fotografiert hat.

Porträt Holger Dambeck     Credit: Heidi Scherm

Porträt Holger Dambeck Credit: Heidi Scherm

Der Hintergrund war übrigens gar nicht schwarz, sondern grau. Bei anders ausgerichteten Blitzen hat man das auch auf den Fotos gesehen.

2048: Die rasante Kariere einer genialen Spielidee

Haben Sie schon 2048 gespielt? Wenn man sich im Netz so umschaut, dann müssen gerade viele Menschen sehr viel Zeit damit verbringen, Zahlenkacheln hin- und herzuschieben. Programmiert hat das Spiel der 19-jährige Italiener Gabriele Cirulli. Es ist gratis und werbefrei und läuft in allen gängigen Browsern – auch auf Smartphones und Tablets.

Die Spielidee ist einfach und genial zugleich: In einem Quadrat aus 4×4 Kästchen verschiebt man Kacheln mit den Zahlen 2 und 4 hin und her. Treffen 2 und 2 aufeinander, vereinigen sich die Kacheln zu einer 4. Aus 4 + 4 wird eine 8, aus 8 + 8 eine 16 – und so weiter. Mit viel Geschick kommt man bis zu 2048.

2048

Das Spiel ist dann aber noch nicht zu Ende, wie Cirulli mir erklärt. „Man wird gefragt, ob man weiterspielen möchte.“ Man könne 4096 erreichen, 8192 und noch mehr. „Ein Freund hat 16.384 geschafft, ich bin immer nur bis 2048 gekommen“, sagt er.

Ich habe 2048 jetzt schon öfters gespielt – über 1024 bin ich bislang nicht hinausgekommen. Faszinierend finde ich an dem Spiel, dass es einen regelrecht süchtig macht. Warum eigentlich? Cirulli erklärt den Erfolg mit den einfachen Regeln und der Tatsache, dass man es problemlos immer wieder neu starten kann, wenn man verloren hat.

Ja, man verliert tatsächlich immer wieder. Denn mit jedem Verschieben erscheint auf einem zufällig ausgewählten freien Kästchen eine neue Kachel. In 90 Prozent der Fälle ist das eine 2, in 10 Prozent eine 4. Es gilt also, möglichst bei jedem Schritt zwei gleiche Kacheln zusammenzuschieben, damit genug Platz auf dem Feld bleibt.

Es ist wie richtigen im Leben: Kaum ist ein Problem gelöst – etwa zwei 128er Kacheln zu 256 vereint – taucht an anderer Stelle ein neues auf. Je besser man spielt, umso eher bekommt man das Gefühl, die immer wieder neu auftauchenden Kacheln im Griff zu haben. Und das macht dann natürlich gute Laune!

Nicht zu unterschätzen ist wohl auch der Sinn für Ordnung, den das Spiel anspricht: Was zusammenpasst, muss auch zusammengeschoben werden. Die Welt will sortiert werden. Aber wer nicht aufpasst, hat das Spielfeld mit immer mehr Kacheln zugebaut – und dann geht plötzlich gar nichts mehr. Verloren!

Cirulli hat mir in einer Mail geschrieben, dass nach seiner Schätzung Menschen weltweit zusammengerechnet bereits 3000 Jahre ununterbrochen 2048 gespielt haben. Der Italiener kalkuliert mit zehn Minuten pro Spiel – die 3000 Jahre entsprechen dann fast 160 Millionen Abrufen.

Das dürfte allerdings nur ein Teil der Spieldurchläufe von 2048 sein. Denn es gibt Dutzende Klone im Netz und als App für iOS und Android. Hinzu kommen Varianten, in denen die Zahlen durch Figuren aus Dr. Who, Bierflaschen, Elementarteilchen oder Pokemon-Symbole ersetzt wurden.

Cirulli hat 2048 übrigens nicht erfunden – er sagt, das Spiel 1024 von Jason Saxon habe ihn dazu inspiriert. 1024 funktioniert in der Tat ganz ähnlich. Nur dass es hier zusätzlich einen Stein gibt, der eines der 16 Kästchen dauerhaft blockiert.

1024

Die ursprüngliche Spielidee von 2048 jedoch stammt von Asher Vollmer und heißt Threes. „Ich habe das mehr zufällig erfunden“, sagt er. Er habe gerade in Word einen kurzen Text geschrieben, als er anfing, mit den Cursortasten zu spielen. „Ich fragte mich, ob man ein Spiel entwickeln kann, das nur die vier Richtungen benutzt.“

Neun Stunden später sei der erste Prototyp fertig gewesen. Das war im Dezember 2012. 14 Monate tüftelte Vollmer dann mit Freunden an dem Spiel herum – Anfang Februar 2014 wurde es als App veröffentlicht. Preis: 1,79 Euro (mehr zur Threes-Historie hier).

Threes

Threes war nach Vollmers Aussage „sehr erfolgreich“, auch wenn er keine Verkaufszahlen nennen möchte. „Wir sind sehr dankbar“, sagt er nur. Allerdings kam schon Ende Februar mit dem bereits erwähnten 1024 der erste Klon auf den Markt. 2048 folgte Anfang März, gratis und programmiert in Open Source – danach brach eine Welle von Klonen los.

„Imitation ist das schönste Kompliment, das man bekommen kann“, sagt Threes-Erfinder Vollmer – aber man spürt beim Lesen seiner Zeilen auch eine gewisse Verbitterung. „Wir wissen, das Threes das bessere Spiel ist.“ Bei 2048 komme man mit der sogenannten Eckenstrategie relativ schnell zum Ziel. Dabei versucht man, die Kacheln mit den größten Zahlen in einer Ecke zu halten, indem man möglichst immer nur zwei der Cursortasten benutzt – zum Beispiel nach oben und nach rechts.

Threes sei das forderndere Spiel, sagt Vollmer. „Bis heute haben nur etwa sechs Leute es bis zu 6144 geschafft.“ Sein Ziel sei ein einfaches Spiel mit interessanter Komplexität gewesen, das man ewig spielen könne. „Einfach zu lernen, unmöglich zu beherrschen“ – genau wie beim Schach.

Threes unterscheidet sich in der Tat etwas von 2048. Die Kacheln mit den Zahlen 1 und 2 ergeben beim Zusammenschieben eine Kachel mit einer 3. Ab dann dürfen nur noch gleich große Zahlen addiert werden. Aus zwei Dreien wird so eine 6, aus zwei Sechsen eine 12. Statt Zweierpotenzen bei 2028 arbeitet man bei Threes deshalb mit dem Dreifachen von Zweierpotenzen. Der von Vollmer erwähnte Rekord 6144 ist exakt 3*2048. Die Zahlen sind aber nur ein kosmetischer Unterschied.

Wichtiger ist offenbar, das neue Kacheln nach dem Verschieben nicht wie bei 2048 auf einer zufällig gewählten freien Fläche erscheinen, sondern in der Zeile oder Spalte am Rand, von der man gerade die anderen Kacheln weggeschoben hat.

Ich blicke immer noch etwas ungläubig auf die Karriere dieser genialen Spielidee. Es dauerte nicht einmal zwei Monate von der Threes-Veröffentlichung über 1024 zu 2018 und den Dutzenden Klonen. Die rasante Entwicklung zeigt, wie schnelllebig der Spielemarkt inzwischen ist. Das ist irgendwie auch beängstigend.

Mit Elfteln rechnen

Letzte Woche hatte ich folgende Frage gestellt: Punkt Mitternacht stehen großer und kleiner Zeiger genau übereinander. Wie viel Zeit vergeht, bis das wieder der Fall ist?

Uhr 2 quer

Offensichtlich vergeht mehr als eine Stunde, denn erst kurz nach 1.00 Uhr überrundet der große den kleinen Zeiger. Man könnte die Aufgabe mit einem Gleichungssystem lösen, in dem die Zeit t die Unbekannte ist. Wir kennen die Position beider Zeiger um 0.00 Uhr – sie stehen beide auf der 12. Kurz nach 1.00 Uhr treffen sie sich wieder. Der große Zeiger hat dann exakt 360 Grad mehr zurückgelegt als der kleine Zeiger. Also gilt

vg * t – 360 Grad = vk * t

(Wobei vg und vt die Winkelgeschwindigkeit von großem bzw. kleinem Zeiger sind. vg = 360 Grad/Stunde, vk = 30 Grad/Stunde)

Diese Gleichung löst man nach t auf – das ist die Standardlösung.

Schöner finde ich jedoch die Folgende: Um 0.00 Uhr und um 12.00 Uhr stehen die Zeiger exakt übereinander. Zwischen 0.00 und 12.00 Uhr gibt es zehn Überholmanöver. Diese teilen die zwölf Stunden in elf gleich lange Zwischenräume ein, denn die Zeiger bewegen sich mit konstanter Geschwindigkeit. Der Abstand zwischen zwei Begegnungen ist deshalb 12/11 Stunden. Eine elftel Stunde entspricht etwa 5 Minuten und 27 Sekunden. Beim ersten Wiedertreffen der Zeiger nach Mitternacht ist es demnach 1:05:27 Uhr.

Noch ein Uhrenrätsel

Mit der Frage nach dem Winkel zwischen großem und kleinem Zeiger um 15.10 Uhr habe ich letzte Woche so manchen aufs Glatteis geführt. Hier kommt noch ein Uhrenrätsel – und das ist noch eine ganze Ecke schwieriger, wie ich finde.

Uhr quer

Punkt Mitternacht stehen großer und kleiner Zeiger genau übereinander. Wie viel Zeit vergeht, bis das wieder der Fall ist? Anders formuliert: Wie spät ist es beim nächsten Rendezvous der Zeiger?

Lösungen bitte an holger.dambeck AT googlemail.com – diesmal geht es nicht um ein Buch, sondern nur um Ruhm und Ehre.

Es sind 35 Grad

Die Lösung des gestrigen Uhrenrätsels war wohl doch nicht ganz so leicht. Ich hatte gefragt, in welchem Winkel die Zeiger einer Uhr um 15.10 Uhr zueinander stehen. In der ersten E-Mail, die ich bekam, stand 30 Grad. Und in der darauf folgenden auch. Leider stimmt das aber nicht.

Der Winkel ist ein Stückchen größer. Der große Zeiger steht um 15.10 Uhr auf der 2 des Ziffernblatts. Der Winkel bis zur 3 ist genau 30 Grad (=1/12 von 360 Grad). Doch der kleine Zeiger befindet sich um 15.10 Uhr nicht mehr genau über der 3. Er hat sich vielmehr in den zehn Minuten seit 15.00 Uhr ein kleines Stück weiterbewegt.

Aber um wie viel Grad? In 12 Stunden überstreicht der kleine Zeiger 360 Grad, also in einer Stunde 30 Grad. 10 Minuten sind ein Sechstel einer Stunde. In dieser Zeit bewegt sich der Zeiger um ein Sechstel von 30 Grad = 5 Grad. Der gesuchte Winkel zwischen den beiden Zeigern beträgt deshalb 35 Grad.

Die schnellste richtige Lösung kam via Twitter – ich nehme Kontakt zu dem Gewinner meines Buchs „Nullen machen Einsen groß“ auf. Nächste Woche folgt ein ziemlich raffiniertes Logikrätsel.