L’Eroica Britannia: Fahrrad trifft Vintage

Es waren drei tolle Tage in den englischen Midlands: Ich bin zum ersten Mal bei einer L’Eroica mitgefahren – und das nicht beim Original in der Toskana, sondern beim neuen Ableger in England. Das Prinzip der eintägigen Radrundfahrt: Erlaubt sind nur vor 1987 gebaute Räder. Damals schaltete man bei Rennrädern noch mit einem Hebel am Unterrohr – und das Bremsen erforderte richtig Kraft in den Fingern.

Meine erste Abfahrt auf einem geliehenen, leicht rostigen Stahlrenner unbekannten Baujahrs wurde zur Zitterpartie. So unsicher habe ich mich selten auf einem Fahrrad gefühlt! Würde man das Ding überhaupt zum Stehen bekommen, falls nötig?

Mein Rad und ich vorm Start

Am nächsten Tag ging es dann eine große Runde über 55 Meilen (90 Kilometer) und 1800 Höhenmeter durch den Nationalpark Peak District. Bei der Streckenführung hatten sich die Veranstalter große Mühe gegeben. Erst führte die Route über eine stillgelegte Eisenbahnstrecke, später gelegentlich über nicht abgesperrte, kaum von Autos frequentierte Nebenstraßen. Aber immer wieder auch über Schotterpisten, die in Italien als strade bianche bekannt.

Die steilen Anstiege hatten es in sich. Bei einer Zehngangschaltung fehlen einfach ein paar Berggänge, die man am modernen Rennrad hat. Erstaunlich, dass ich mich nach ein paar Anstiegen mit den schweren Gängen irgendwie arrangieren konnte. Wenn es zu steil wird, geht man einfach eine Weile aus dem Sattel – und irgendwann wird es auch wieder flacher und man kann wieder entspannter im Sitzen treten.

Hauptsache elegant!

Die vielen Höhenmeter und das für Flachländer erschreckende Höhenprofil flößten mir so viel Respekt ein, dass ich mir vorab ein Berg- und Langstreckentraining in und um Berlin auferlegt hatte. Zum Höhenmeter-Sammeln bin ich in den Grunewald gefahren. Fünfmal den Teufelsberg hoch und runter, dann über die Havelchaussee den Wannsee entlang bis nach Potsdam – und auf dem Rückweg noch mal den Teufelsberg fünfmal hoch und runter. So kommt man bei 70 Kilometern Länge auf über 1000 Höhenmeter – und das gab mir die Gewissheit, dass ich die L’Eroica Britannia auch wirklich entspannt genießen konnte.

Beeindruckt hat mich die Begeisterung der Engländer für die gute alte Zeit: Manche kamen zum Festival in Bakewell als ginge es zum Pferderennen. Sie wollten gar nicht Radfahren, sondern einfach ihre Vorliebe für Vintage-Klamotten ausleben. Viele Teilnehmer traten auch in Wolltrikots und –hosen an – wenn Retro, dann richtig.

Schick gemufft

Auch ich habe auf modernes Lycra verzichtet – zumindest fast. Über einer einfachen Radrennhose trug ich eine helle Hose von De Marchi, die aussah, als wäre sie aus Baumwolle, aber aus 100 Prozent Kunstfaser bestand. Das Trikot stammte ebenfalls aus Italien – ein Wollshirt des Veranstalters der Pressereise Brooks. Unter dem Trikot hatte ich ein dünnes Shirt aus Merino-Wolle. Die ist äußerst angenehm zu tragen und schützt die Haut auch vor der etwas kratzigen Wolle eine Lage darüber. Alles in allem muss ich sagen: Die Naturfaser hat so viele Vorzüge, unter anderem saugt sie den Schweißgeruch auf und sieht super aus, dass ich das Waschen mit der Hand gern in Kauf nehme.

Mein Fazit: Früher war vieles gut, etwa die Vorliebe für Wolle oder das klare, schlanke Design eines Stahlrahmens. Aber es war nicht alles besser. Das merkt man spätestens beim ersten Bremsversuch an einem steilen Abhang.

Noch ein paar Links:

Sechstagerennen und Volleyball

Am letzten Wochenende habe ich mich als Sportfotograf versucht. Trotz ISO 4000 sind die meisten Bilder unscharf geworden, mir fehlen einfach noch ein paar Tausend Euro für lichtstarke Objektive. Aber ein paar Bilder sind zumindest halbwegs gelungen. Großen Spaß hatten wir beim Sechstagerennen im Berliner Velodrom. Das ist wie im Zirkus, nur dass die Artisten nicht am Trapez unterwegs sind, sondern auf dem Rad. Die machen einfach eine gute Show, animieren das Publikum freihändig zum Mitklatschen – und das Publikum am Familiensonntag fand’s super. Mir hat besonders gut das Antiquierte an der Veranstaltung gefallen. Diese seltsamen Motorräder beim Steherrennen, die komischen Bikes beim Derny und die altmodische VIP-Lounge im Innenraum. Berlin kann richtig sympathisch sein! Die Bilder ganz unten sind von zwei Spielen der BR Volleys. Dort gefällt es mir inzwischen auch ganz gut. Über manchen eingespielten Jingle muss man großzügig hinweghören – immerhin gewinnen die Volleyballer praktisch jedes Spiel. Das kenne ich von meinen favorisierten Fußballmannschaften anders.

Copyright Fotos: Holger Dambeck

Auflösung des Mathe-Fahrrad-Rätsels

Vor lauter Weihnachtsstress bin ich gar nicht dazu gekommen, die Lösung des letzten Rätsels zu posten. Rollt das Rad ein Stück nach vorn? Bleibt es auf der Stelle stehen? Oder rollt es rückwärts?

Nehmen wir einfach mal an, das Rad hat eine Übersetzung von 1:1. Das bedeutet: Bei einer vollständigen Kurbelumdrehung dreht sich das Hinterrad eine vollständige Runde. Wir schauen uns nun in einem Gedankenexperiment an, was passiert, wenn ich die Pedale um einen sehr kleinen Winkel x drehe. Dann dreht sich logischerweise auch das Hinterrad um diesen Winkel x – die Übersetzung ist ja 1:1. Weil der Radius des Hinterrades größer ist als die Pedallänge, legt das Hinterrad im Moment des Ziehens an dem Seil ein größeres Wegstück nach vorn zurück als die Pedalspitze nach hinten.

Das Seil müsste länger werden, damit das überhaupt möglich ist. Aber ich ziehe ja an dem Seil. Das bedeutet: Das Rad bleibt auf der Stelle stehen, ich kann es durch Ziehen am Seil nicht nach vorn bewegen.

Die Übersetzung eines Rades ist sogar in der Regel größer als 1:1, das Laufrad bewegt sich also in jedem Fall ein größeres Stück nach vorn als die Pedalspitze zurück. Rückwärts rollen kann es nicht, weil ich durch die Ziehbewegung ja eine (nur minimale) Bewegung der Räder nach vorn auslöse, die dann vom straffen Seil gestoppt wird. Deshalb bleibt das Rad auf der Stelle stehen.

Gestohlene Fahrräder online wiederfinden

Fast 1000 Fahrräder werden in Deutschland jeden Tag geklaut. Die Polizei kann aber nur etwa jeden zehnten Raddiebstahl aufklären. Dass heißt: Neun von zehn Rädern bleiben verschollen – und die Diebe unerkannt. Die Polizei kommt ansonsten bei Diebstählen übrigens auf eine Aufklärungsquote von 30 Prozent – Fahrräder liegen mit 10 Prozent deutlich unterm Schnitt (Statistik: ADFC).

Erstaunlicherweise sind die Aufklärungsquoten von Ort zu Ort sehr verschieden. Neubrandenburg kommt laut geld.de-Studie auf 51 Prozent, Magdeburg auf 29 Prozent und München auf 22 Prozent. Hingegen liegen Hamburg und Berlin nur bei 4 Prozent, Potsdam sogar nur bei 3 Prozent.

Wenn die Polizei uns nicht hilft, helfen wir uns selbst – so entstand die Idee, gestohlene Bikes via Internet zu suchen. Für einige Schlagzeilen hat kürzlich der Rostocker Anbieter fahrradjaeger.de gesorgt. Firmengründer Martin Jäger hat nach eigener Aussage in sechs Semestern bereits fünf Rennräder eingebüßt. Nun sammelt er gemeinsam mit zwei Mitstreitern Diebstahlmeldungen.

Geld verdienen will er mit Aufklebern, die Diebe abschrecken sollen. Sie kosten 5 bzw. 9 Euro. Die teurere Variante hat einen QR-Code. Weil es auch Apps für iOS und Android, kann man diese QR-Codes mit einem Handy direkt am Rad auslesen.  So man erfährt sofort, ob das Rad vor einem evtl. als gestohlen gemeldet ist. Radfahrer – so die Idee – sollen selbst Ausschau halten nach verdächtigen Rädern, die womöglich gestohlen sind und mit der App prüfen, ob dies der Fall ist.

Bildquelle: fahrradjaeger.de

Wer einen Aufkleber möchte, registriert sein Rad auf der Webseite. Man kann sein  Rad bei fahrradjaeger.de aber auch als gestohlen melden, wenn es vor dem Diebstahl nicht registriert war. Das kostet bislang auch nichts.

Ich habe bei einer kurzen Recherche noch mehrere ähnliche Anbieter entdeckt: fahrrad-gestohlen.de (knapp 900 gestohlene Räder in der Datenbank), Fahrrad-Fahndung (rund 220 Räder) und Fahrrad-Fundbüro (nur 9 Räder). Bei fahrradjaeger.de umfasst die Datenbank als geklaut gemeldeter Drahtesel nach meiner Zählung rund 680 Stück. Nimmt man alle vier Anbieter zusammen, kommt man also auf 1800 als gestohlen gemeldete Räder.

Das sind angesichts der mehr als 300.000 verschwundenen Bikes pro Jahr gerade mal 0,6 Prozent. Der Anteil dürfte in Wahrheit noch kleiner sein, weil ein Teil der online gesammelten Diebstähle nicht in 2012, sondern in die Vorjahre fällt. Statistisch gesehen sind die Chancen also nach wie vor deutlich größer, dass die Polizei das Rad wiederfindet – zumindest in den Städten, wo sie ernsthaft ermittelt.

Aber die Idee der Datenbank im Netz finde ich auf jeden Fall gut. Wenn nur genügend Leute mitmachen – warum nicht auch Fahrradhändler? – könnte das wirklich funktionieren und auch den Dieben den Wiederverkauf erschweren.

Großer Spaß: Tweed Day Berlin 2012

Cycling with a little bit of style – nun schon zum zweiten Mal in Berlin. Und ich war dieses Jahr endlich auch dabei. Etwa 70, 80 Leute waren am Sonntagmittag zum Gendarmenmarkt gekommen, um dann über Mitte und Tiergarten nach Charlottenburg zu radeln. Keine Frage, der Tweed Run in London ist deutlich größer. Aber die Stimmung ist bei beiden Tweed-Rundfahrten ganz ähnlich. Gut gelaunte Menschen treffen sich, um gemeinsam durch eine Stadt zu rollen. Es hat großen Spaß gemacht – vielen Dank an die Organisatoren des Tweed Day Berlin! Am Schloss Charlottenburg war Tea Time, dann gab’s am Kudamm Gin – und am Ende wurden in einem Irish Pub Preise verteilt. Das Tempo war übrigens sehr gemütlich, mir eigentlich eine Spur zu langsam. Aber so hatten wir wenigstens genug Zeit, um einander kennenzulernen. Ich weiß seit heute, dass mir zum Fahrradnerd noch so einiges fehlt – unter anderem das eine oder andere Rad.

Fotos: Copyright Holger Dambeck

So parkt man in Malmö

Manchmal muss man das Offensichtliche noch mal extra deutlich zeigen – so wie in Malmö. In einer Straße im Zentrum habe ich diesen Fahrradabstellplatz entdeckt. Wo normalerweise ein Auto parkt, stehen nun bis zu acht Fahrräder. Solange genug Platz auf den Fußwegen zum Abstellen der Räder ist, muss man sowas natürlich nicht machen. Aber in Radmetropolen wie Kopenhagen oder dem gegenüberliegenden Malmö reicht der Raum oft einfach nicht.

Die anderen beiden Fotos zeigen eine Gratis-Tiefgarage für Velos in Amsterdam und eine Garage für Cargo-Bikes in Kopenhagen. In der dänischen Hauptstadt sind die dreirädrigen Christiania-Bikes und Niholas weit verbreitet und auch ein beliebtes Klauobjekt. Damit die sperrigen Transporträder nachts sicher stehen, hat die Stadt eine solche autoförmige Garage gebaut. Mikael Colville-Andersen hatte mich bei meinem  Kopenhagen-Besuch Anfang 2011 zu dem Mini-Parkhaus geführt. Er ist auf dem Foto rechts zu sehen.

 

Kopenhagen: Audi passt auf Fahrräder auf

In der Radmetropole Kopenhagen haben es Autohersteller nicht leicht. 35 Prozent aller Kopenhagener radeln ins Büro, die Steuer auf Neuwagen ist hoch, Parken extrem teuer. Oberklassemarken sieht man in Dänemark nur selten. Audi will das offenbar ändern und hat sich im Zentrum Kopenhagens bis zum Sonntag mit einer futuristischen Ausstellung präsentiert. Extra dafür wurde eine bewachter Fahrradparkplatz eröffnet. Würde es den in Berlin oder München auch geben? Ich glaube nicht.

In den drei Kugeln gab’s u.a. einen Werbefilm für Audi connect zu sehen, in dem der Audifahrer immer nur auf grüne Ampeln zugerollt ist, weil der Bordcomputer natürlich vorher wusste, wann diese auf Grün schalten und die Richtgeschwindigkeit entsprechend vorgegeben hat. So was gibt’s in Kopenhagen längst – aber für Radfahrer! Auf dem Radschnellweg vom Zentrum nach Albertslund stehen etwa 50 Meter vor Ampeln kleine Displays, die anzeigen, in wie vielen Sekunden die Ampel umschaltet. Wunderbar, wenn man ohne anzuhalten radeln kann.

Ein Wort zu meinem Anwalt – und das Dorf ist meins

Die Testfahrt mit dem Luxus-Reiserad von tout terrain hat mich auch zum Dorf Dambeck geführt. Es lag zwar nicht direkt auf dem Radweg Berlin–Kopenhagen. Aber wenn man schon mal seine alten Besitztümer in Augenschein nehmen kann, nimmt man auch Umwege in Kauf. Es gibt übrigens noch mehr Ortschaften mit dem Namen Dambeck – eine liegt bei Usedom. Jetzt muss ich mich nur noch entscheiden, wo ich mich dann gedenke niederzulassen…

Über das Fahrrad Silkroad von tout terrain haben meine Kollegen von SPON-TV letzte Woche auch ein Video gedreht. Ich habe mich auf dem Oberklasse-Reiserad sehr wohl gefühlt. Leider kostet das Bike aber auch so viel wie ein Gebrauchtwagen. Text und Film gibt’s in den kommenden Tagen auf SPIEGEL ONLINE zu sehen – im Ressort Reise.

Alle Radfahrer haben zugleich grün

Interessantes Video aus Groningen: An einer viel befahrenen Kreuzung schalten alle Radfahrerampeln zugleich auf Grün. So was kannte ich bislang nur aus Japan – allerdings für Fußgänger. Das Ganze sieht ziemlich gefährlich aus, aber die Holländer können im Unterschied zu manchen Berlinern wirklich Rad fahren. Sie haben ein Auge für die anderen – und so passiert nichts, zumindest in dem Video. All Directions Green (ADG) Groningen, The Netherlands

Im Test: Luxus-Reiserad mit USB-Buchse

Galerie

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Das Silk Road von Tout Terrain ist das teuerste Testrad, auf dem ich bislang gesessen habe. Der spezielle Rahmen, an dem der Gepäckträger hinten fest angeschweißt ist, und die Rohloff-Schaltung haben halt ihren Preis (>3000 Euro). Eine weitere Besonderheit ist „The Plug“ … Weiterlesen